Case-Management statt Verwaltungsarbeit

Mittwoch 01.07.2015 Volker Richert
Volker Richert

Volker Richert hat als Redaktor, Ressortleiter und Chefredaktor für verschiedene ICT-Zeitschriften gearbeitet. Seit 2008 betreibt er eine Kommunikationswerkstatt und schreibt in den Bereichen Biotechnologie, Informatik, Energie und Blaulichtorganisationen. Der gelernte Elektriker hat Alte Geschichte studiert und sich vor dem Einstieg in den Journalismus in der Industrie seine Sporen abverdient.

Mit einer neuen Software hat sich die Aargauische Gebäudeversicherung (AGV) für die von ihr betriebene Kantonale Unfallversicherung (KUV) von vielen manuellen Arbeiten verabschiedet.

Alle Beteiligten zogen am gleichen Strick – so war die Umsetzung ungewöhnlich einfach.

Wer einen Unfall erlebt, ist froh, wenn ihm auch seine Versicherung rasch mit der entsprechenden Hilfe unter die Arme greift. Allein bei der KUV sind mehr als 35'000 Arbeitnehmer, Lehrlinge, Praktikanten, Volontäre und Heimarbeiter dieser in der Schweiz obligatorischen Versicherung angeschlossen. Die KUV-Kunden – Arbeitgeber  wie  der  Kanton, Schulen, Spitäler und viele mehr – können heute einen Unfall einfach per Internet melden; ihre Angaben werden sicher an die KUV übertragen. Neu ist zudem, dass die eingebundenen Leistungserbringer ihre Abrechnungen elektronisch senden können. Eine komfortable Situation, die den zehn Mitarbeitenden der KUV viel administrative Arbeit abnimmt und ihnen zusätzliche Zeit verschafft, um sich intensiver dem Case Management zu widmen.

Dass bei der KUV die Erleichterung über die vereinfachten Abwicklungsprozesse im Arbeitsalltag so gross ist und Zufriedenheit herrscht, hat viel mit der im Januar 2014 eingeführten Software von alabus zu tun. Denn zuvor war häufig noch Handarbeit angesagt. Wenn es darum ging, Kernaufgaben wie Unfallmeldungen, Taggeldzahlungen und Heilkostenabrechnungen abzuwickeln, hiess das immer, Papier zu bearbeiten und in Dossiers nach Unterlagen zu suchen. Innerhalb dieser Abläufe bestanden aufgrund der verschiedenen Schnittstellen ständig Möglichkeiten, Fehler zu machen. Erst wenig war automatisiert und über ein elektronisches Datenarchiv einfach zugänglich. Für die KUV eine unbefriedigende Situation, die mit der Einführung einer neuen Kernsoftware bereinigt werden sollte. Hinzu kam, dass  das  bisherige hostbasierte System nach 17 Jahren im Betrieb am Ende des Lebenszyklus angekommen war. In einer WTO-Ausschreibung wurde deshalb Anfang  2012 ein Generalunternehmen gesucht, welches eine moderne Software liefert sowie im Rahmen des Bundesgesetzes über die Unfallversicherung (UVG) bereits Erfahrungen vorweisen, das Einführungsprojekt abwickeln, die Software dauerhaft betreiben und auch den Support übernehmen  kann. Ausgewählt wurden schliesslich die Zuger Softwarespezialisten von alabus. 

Digitalisierung in der Versicherung

Dort war von Anfang an klar, dass sich auch bei der KUV mit dem Internet das Kundenverhalten  nachhaltig  verändert hat. Die mit der Digitalisierung einhergehenden neuen Ansprüche und Erwartungen der heutigen «Real-Time-Gesellschaft» sollten neben Transparenz auch die Möglichkeit zur Kommunikation und Kooperation mit der KUV verbessern. Als vergleichsweise kleine Unfallversicherung fehlte hier bisher die nötige Flexibilität. Man war vom einstigen Kernsystem abhängig und wurde lediglich durch dessen Weiterentwicklung vorangetrieben. Nicht die Software passte sich der KUV an, sondern umgekehrt, die Mitarbeitenden hatten sich dem System zu fügen.

Mit  dem unter dem Namen KUALA (KUV-Alabus) lancierten Projekt ist ein grundlegender Wandel  vollzogen worden, und die Ansprüche und sichtweise der KUV sind in den Mittelpunkt gerückt. Möglich macht das die konsequente Orientierung der Softwareschmiede an den Prozessen. Sie eröffnet über die neue Software aber auch die Erschliessung bisher nicht vorhandener Potenziale, die sich erst durch den Blickwechsel ergeben: Denn mit der Durchgängigkeit und Verlängerung der Prozesskette über alle Beteiligten werden Doppelspurigkeiten vermieden. Gleichzeitig entfallen mögliche Fehlerquellen aus den einstigen Schnittstellen im Arbeitsablauf, der nun – wo immer möglich – automatisiert ist.

Die Erwartungen an KUALA waren gross, was sich im Nachhinein als wichtiger Antrieb zum Gelingen des Projektes herausstellte. Aber der Reihe nach. Zunächst ging es darum, insbesondere Kernprozesse wie die Unfallmeldungen, Taggeldzahlungen, Heilkostenabrechnungen, Datenarchivierung und den Bereich Rückstellungen auf einer neuen Basis online zur Verfügung zu stellen. Interessant war, dass in dem rund einjährigen Projekt vom Management bis zum Lieferanten alle am gleichen Strick zogen. Alle wollten die neue Lösung und engagierten sich aktiv für die erfolgreiche Umsetzung. Damit waren von Beginn an mögliche menschliche oder organisatorische Probleme auf ein Minimum begrenzt. Man habe gespürt, fasst man bei alabus die Situation zusammen, dass sich die Mitarbeitenden der KUV auf die neue 
Lösung gefreut hätten.

Das prozessorientierte Vorgehen

Technisch konnte die Softwareschmiede bei der Umsetzung die Qualitäten ihrer «modellgetriebenen»  Softwareentwicklung ausspielen. Dabei tritt der Beschrieb des Funktionsumfangs einzelner Prozesse in den Hintergrund, werden sie doch gleichsam als selbstverständlich vorausgesetzt. Stattdessen sind auf einer breiten Basis vorhandener Prozesse nur die für die KUV individuellen Anforderungen, die kaum mehr als 20 Prozent des ganzen Projektes ausmachten, zusätzlich entwickelt worden. Das Vorgehen erlaubt natürlich auch, künftige Anforderung jederzeit einfach zu ergänzen.

So war es unter  anderem möglich, das heutige Unfallportal zur elektronischen Erfassung von Meldungen vergleichsweise schnell umzusetzen. Damit stehen die Daten sofort nach der Eingabe zur automatischen Weiterverarbeitung bereit. Das wiederum reduziert das Papieraufkommen  auf ein  Minimum, und die KUV-Mitarbeitenden werden von der aufwendigen und fehlerbehafteten manuellen Arbeit entlastet. Zudem werden neu bereits vom grössten KUV-Kunden eine beträchtliche Anzahl der rund 1900 jährlichen Taggeldzahlungen über eine von der KUV zur Verfügung gestellte sogenannte Batch-Input-Mappe selbst eingelesen. Auch hier sind manuelle Eingriffe unnötig geworden, weil die Daten automatisch in die verschiedenen Lohnsysteme der Arbeitgeber übertragen werden. Nicht anders sieht es bei den rund 10'000 Heilkostenabrechnungen pro Jahr aus, die vollumfänglich elektronisch abgewickelt werden. Diesbezüglich haben manuelle Prozesse ebenfalls abgedankt, weil die Rechnungsstellung und deren Administration automatisch erfolgen. Mit ausgeklügelten Compliance-Vorgaben werden dabei Unregelmässigkeiten durch das System automatisch aufgespürt.

Kommt  hinzu, dass man sich bei der AGV konsequenterweise entschlossen hat,  sämtliche  Schadensfälle nur noch elektronisch Hand in Hand mit der neuen Software zu führen. Die Datenbestände sind verschlüsselt abgelegt und das bisher aufwendige Ablegen und Suchen in den Papierdossiers gehört damit endgültig der Vergangenheit an. Insgesamt, hält man bei der AGV fest, habe man sich mit KUALA regelrecht in die Moderne katapultiert. Und zwar mit der angenehmen Nebenwirkung, dass durch die Automatisierung der Arbeitsabläufe intern Zeit gewonnen wird. Diese kommt nun unmittelbar den Betroffenen zugute – die Mitarbeitenden können sich intensiver dem Case Management und somit den Kunden widmen.

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