Interview Christian Walter: «Vertiefte Kenntnisse der Wertschöpfungsketten»

Freitag 08.12.2023
Interview mit Christan Walter, Managing Partner bei swiss made software

Die Branchenplattform swiss made software arbeitet mit gut 1200 Schweizer Software- Herstellern zusammen. Mitgründer und Geschäftsführer Christian Walter über den Trend zur Software-as-a-Service, die Verfügbarkeit von Open-Source-Bibliotheken und eine neue Generation von Software-Unternehmern.

Das Interview erschien ursprünglich  im 6. Swiss Startup Radar im Dezember 2023.

Jost Dubacher: Ihr Unternehmen vergibt das Label «swiss made software». Was sind die Kriterien?

Christian Walter: Die Nutzung der Herkunftsbezeichnung Schweiz ist gesetzlich geregelt. Bei den beiden Labels «swiss made software» und «swiss digital services» müssen 60 Prozent der Wertschöpfung in der Schweiz erbracht werden. Etwas anders ist der Fall beim «swiss hosting» gelagert: Hier schreiben wir vor, dass die Daten in der Schweiz gelagert sind
und das Unternehmen mehrheitlich in Schweizer Hand ist.

JD: Ihr jüngstes Gütesiegel heisst «swiss digital services» und adressiert die Anbieter von Software-as-a-Service-Plattformen. Was gab den Ausschlag für die Lancierung?

CW: Die Wirtschaft gewöhnt sich daran, Software als Dienstleistung zu beziehen. Die Anbieter sind dadurch mit einem Reputationsproblem konfrontiert. Sie müssen ihre Kunden davon überzeugen können, dass sie die versprochenen digitalen Services zuverlässig erbringen können. Unser Swissness-Label hilft ihnen dabei.

JD: SaaS steht für einen globalen Megatrend. Wie verändert er die Schweizer
Software-Industrie?

CW: Vor 20 Jahren war der Markt anbieterseitig von Software-Schmieden geprägt, die für ihre Kunden Individual-Software programmierten. Diese Nachfrage existiert nach wie vor: Die Finanzindustrie und internationale Konzerne mit Sitz in der Schweiz arbeiten immer noch mit proprietären Applikationen. Aber das Geschäft verlagert sich zu den cloudbasierten Standard-Anwendungen.

JD: Laut Swiss Startup Radar vertreibt schon heute jedes zweite Schweizer Software-Startup seine Produkte als Service. Erstaunt Sie diese Quote?

CW: Sie passt zu unseren Beobachtungen in der gesamten Unternehmenspopulation.

JD: Es fällt auf, dass die heutigen Gründerinnen und Gründer von Software-Startups einen anderen beruflichen Hintergrund haben als noch vor zehn Jahren. Haben Sie eine Vermutung, warum?

CW: Das hängt möglicherweise mit dem SaaS-Trend zusammen. Die Inhaber der klassischen Software-Schmieden waren und sind in der Regel Informatik-Cracks und Tüftler. Gründer mit einem Tekkie-Fokus gibt es immer noch. Aber sie sind nicht mehr allein. Wir sehen vermehrt Unternehmerinnen und Unternehmer, die in den Zielbranchen der Software-Industrie zu Hause sind – in der Pharmaindustrie, der Logistik oder dem Maschinenbau. Sie kombinieren ihr IT-Know-how mit einer vertieften Kenntnis der einschlägigen Wertschöpfungsketten und entwickeln Tools, die spezifische Prozessabschnitte automatisieren oder integrieren.

JD: Die Auswertungen im Radar zeigen, dass die «neuen» Software-Gründer auf die wachsenden Bestände der Open-Source-Bibliotheken setzen. Wie schätzen Sie deren Bedeutung ein?

CW: Die zunehmende Verbreitung von quelloffenen Programmen lässt die Software-Entwicklung tatsächlich günstiger werden. Das ist das eine. Auf der anderen Seite findet eine Standardisierung der Entwicklungsprozesse und Frameworks statt. Das steigert den Grad der Arbeitsteilung in der Branche: Die einen Unternehmen konzentrieren sich auf das eigentliche Coden, die anderen arbeiten an der Entwicklung, der Vermarktung und dem Vertrieb von Software-basierten Services.

JD: Steht SaaS somit auch für einen Reifungsprozess der ganzen Branche?

CW: Das kann man so sehen.

Relevante Links

Swiss Startup Radar - data-based analyses of the Swiss ecosystem

The sixth edition focusses on AI start-ups, on business models of ICT start-ups and the development of ICT start-ups in general. In addition the report includes an update on the number of venture backed companies and job creation. As in previous editions, we compare the performance of the Swiss ecosystem with other countries such as Israel, Singapore, Sweden, the UK, the USA, etc. based on data of around 250'000 start-ups.

>Swiss Startup Radar 6: AI and ICT business models