3200 mal schneller als Visa

Montag 25.07.2016 Christian Walter
Christian Walter

Christian Walter ist Geschäftsführer und Redaktionsleiter von swiss made software. Bis Ende 2010 arbeitete er als Fachjournalist für das ICT-Magazin Netzwoche, publizierte zuletzt aber auch im Swiss IT Magazin, der Computerworld sowie inside-it.

Geld im Internet verdienen ist nach wie vor schwierig. Werbung und Abos sind die Standards. Jedoch lassen sich mithilfe von Micropayments Content-Kunden jenseits der gängigen Paradigmen erschliessen. milliPay aus Zürich macht es möglich.

milliPay erlaubt Zahlungen ab einem Zehntelcent – also 0.001 Euro/Franken – und verzichtet gänzlich auf Fixkosten. (© Ezume Images/Fotolia)

Online-Zahlungen sind nach wie vor von alten Denkmustern dominiert. Siehe Adblocker-Debatte: Seit Apple diese für iOS 9 erlaubt, blockieren zahlreiche Verlage ihre Inhalte für deren Nutzer. Der Leser wählt zwischen Werbung oder Abo. Alle anderen werden ausgesperrt. Dabei könnte man auch einzelne Artikel verkaufen – am besten für wenige Cents. Leider ist das nicht mit der gängigen Infrastruktur vereinbar. Pro Transaktion wird meist eine fixe Gebühr von etwa 30 Cent/Rappen erhoben sowie eine variable Komponente. Je kleiner der Verkaufspreis, umso weniger bleibt also dem Anbieter. Ausserdem stellt die Fixgebühr eine unbewegliche Preisuntergrenze dar.

Die Züricher milliPay will das mit einer Technologie ändern, die Zahlungen ab einem Zehntelcent – also 0.001 Euro/Franken – ermöglicht sowie auf Fixkosten verzichtet.

Der Clou ist die Geschwindigkeit: «Unser System ist um den Faktor 3200 schneller als vergleichbare Systeme», so milliPay CEO Gerrit Sindermann. Wo Visa also 3200 Server braucht, benötigt milliPay nur einen. Das drückt die Kosten und ermöglicht das Arbeiten mit solchen Kleinstbeträgen.

Neue Kundensegmente

Praktisch gestaltet sich das so: milliPay wird in ein Angebot integriert - Desktop, Mobile oder App. Dieses verschwindet hinter einer Paywall. Nutzer registrieren sich via Handynummer. Zahlungen werden anschliessend über eine digitale Brieftasche in milliPays Backend geleistet. Da diese auf Prepaid-Basis funktioniert, muss sie allerdings erst aufmunitioniert werden. Für Inhalteanbieter erlaubt das eine Monetarisierung jenseits von Werbung oder Abos.

Getestet wurde die Idee bereits erfolgreich bei mehreren regionalen Zeitungen wie dem Schwäbischen Tagblatt oder der Thurgauer Zeitung. Mit milliPay konnten Leser dort einzelne Artikel kaufen. Die Akzeptanz war überraschend hoch. «Einmal registrierte Leser laden die E-Wallet in 82 Prozent der Fälle. milliPay-Nutzer, die mit dem Bezahlfenster und einem kleinen Preis konfrontiert werden, bezahlen anschliessend zu 72 Prozent», so Sindermann. Diese Piloten ermöglichten eine interessante Einsicht: Wer sich einmal auf Micropayments eingelassen hatte, war viel eher bereit, auch ein Abo zu lösen. So stieg die Zahl E-Paper-Abonnenten in den ersten acht Monaten um 40 Prozent. milliPay ist damit mehr als nur ein Zahlungssystem. Richtig verwendet mausert es sich zum Marketinginstrument. So lässt sich auch das Problem der Erstaufladung elegant lösen – Kunden erhalten ein Startguthaben. Sind sie einmal angefixt, haben sie einen Grund zur Wiederaufladung und gegebenenfalls auch zu grösseren Commitments wie einem Abo.

Hier sieht Sindermann auch zahlreiche Chancen in der sich weiterentwickelnden Content-Landschaft. Beispiel Musikstreaming: «Die nächste Generation Streaming-Dienste, also Post-Spotify & Co, muss die Bundles wieder aufbrechen und neue Angebotsformate finden», meint er. Per Micropayment lassen sich so individuelle Angebote zusammenstellen, die irgendwo zwischen einem einmaligen Kauf und einer Flatrate liegen. So können auch Kunden erschlossen werden, die keine zehn Euro im Monat zahlen oder ein Abo lösen möchten. Bedenkt man, dass selbst beim Marktführer Spotify nur 25 Prozent der Nutzer zahlende Kunden sind, ist das gar nicht unrealistisch. 

Dazu kommen zahlreiche Anbieter, deren Inhalte nicht zum Mainstream gehören - Indie-Labels, Bollywood, einzelne Ethnien oder Interessengruppen. Inhalte wie diese finden sich häufig nicht einmal auf Youtube. Ihre Fans sind aber treu und könnten durchaus Interesse an Micropayments haben. Gleiches gilt für Kunden in Emerging Markets, deren Kaufkraft nicht der hiesigen entspricht.

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