Die Schweizer Banken brauchen einen Kulturwandel

Dienstag 24.05.2016 Anna Rontojannis
Anna Rontojannis

Business Developer, Liip AG

Fintech boomt. Technologieunternehmen erobern Märkte, die bisher etablierten Finanzinstituten vorbehalten waren. Um mit diesen Entwicklungen Schritt zu halten, müssen Banken die IT als ein Kerngeschäft akzeptieren.

Wollen die Schweizer Finanzinstitute nicht den Anschluss verpassen müssen sie Gas geben. (© eyeQ/Fotolia)

Facebook sucht einen Head of Financial Services. Ali Baba ist hier einige Schritte weiter: Seine Finanz-Abteilung «ANT Financial» verwaltet nicht nur einen 93 Milliarden Dollar schweren Fonds; vor Kurzem wurde auch eine Online-Bank lanciert. Was beide Unternehmen gemeinsam haben, ist die klare Ausrichtung auf Finanzdienstleistungen.

Damit sind sie nicht allein. Fintech ist ein weltweiter Trend. Allein 2014 verdreifachte sich das Investitionsvolumen, und auch hierzulande gehen immer mehr Start-ups in Stellung. Um mit diesen Entwicklungen Schritt zu halten, setzen die heimischen Finanzinstitute momentan auf Zukauf. Das reicht aber nicht. Denn die Auswirkungen der Fintech-Start-ups auf etablierte Schweizer Institute sind noch zu klein, während der technologische Vorsprung der neu in den Finanzmarkt eingetretenen Giganten immer grösser wird. Was die Banken zurückhält, sind Legacy und veraltete Entwicklungsmethoden.

Business oder IT

Legacy-Systeme abzulösen, ist mit hohen Risiken und Kosten verbunden. Das führt zu langfristigen, teuren und riskanten Projekten ohne viel Visibilität, uninteressant für Business-Entscheider. Investiert wird lieber in neue, sichtbare Features. Das Legacy-Problem wird auf die IT geschoben. Diese wiederum fragt sich, ob dem Business das Bewusstsein für die Notwendigkeit grundlegender Investitionen fehle. Was wiederum beim Business den Eindruck erweckt, die IT sei zu komplex, zu teuer und schwerfällig. Ein kultureller Teufelskreis.

Genauso problematisch sind die gestiegenen Anforderungen an die Entwicklungsmethodik. Ohne automatisiertes Testing ist jedes Release teuer sowie mit grossem Zeitaufwand verbunden und Best Practices wie Continuous-Integration und -Deployment sind nicht umsetzbar. Es sind jedoch diese Praktiken, die es innovativen Fintech-Firmen erlauben, schnell und agil zu handeln.

IT als Kerngeschäft

Sowohl das kulturelle wie auch das technische Problem lassen sich am besten durch Kooperationen lösen, und zwar mit Firmen, die kontinuierliche Innovation bereits verinnerlicht haben. Doch auch das kann nur ein weiterer Schritt der Aufholjagd sein. Denn die Märkte sind globalisiert und bewegen sich schnell. Kunden haben heute keine Lust, auf ein Produkt oder eine Dienstleistung zu warten. Sie werden innovative Fintech-Lösungen dann nutzen, wenn sie verfügbar sind. Das Institut und seine Reputation rücken in den Hintergrund. Entscheidend ist die digitale Verfügbarkeit. Momentan wird dieser Markt von IT-zentrischen, agilen Unternehmen erobert. Um in diesem Umfeld wettbewerbsfähig zu sein, müssen die etablierten Banken die IT als ihr eigentliches Kerngeschäft akzeptieren und die anstehenden grundlegenden Investitionen in diesem Bereich angehen.

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